Einsätze des Unteroffiziers Arthur Krüger

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Mit freundlicher Genehmigung von  Arthur Krüger

          Erlebnisbericht über die Einsätze des ( zu der Zeit )  22- jährigen
        Unteroffiziers im Bereich des Kessels von Stalingrad 
Feldpostnummer 20413 E = 8. Kp. Inf. Rgt.120
        Arthur Krüger gehörte zur  60. Infanterie - Division (mot.) !

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Foto von Unteroffizier Arthur Krüger
aufgenommen in Stalino

Arthur Krüger ist am
 + 13.1.2009
an den Folgen eines
schweren Sturzes verstorben.

Foto von Arthur Krüger
Fratelli Nella Notte, Dankeschön für die Aufnahme seiner Memoiren in dem Buch
> Brüder in der Nacht <
in italienischer Sprache

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Stalingrad:

 Das Ende des Danziger Infanterieregiments
Zusammengestellt von
Arthur Krueger
(8./120. IR(mot.)/60. ID(mot))
 

Einleitung
 

Liebe Leser: Mein Name ist Arthur Krueger. Mein Geburtsort war die Freie Stadt Danzig
(geb. am 12.Juni 1920).
Seit der Gründung unserer Einheit im Juni 1939 in Danzig bis zum Untergang in Stalingrad war ich als Infanterist mit im Einsatz.

Gerade weil heute nicht mehr vom Deutschen Danzig, von Königsberg und von Preußen geredet wird, möchte ich hier heute als 86jähriger meine Erlebnisse und Erinnerungen niederschreiben. Wenn man heute von einer Division reden will, die in Stalingrad kämpfte, so glaube ich, muss man auch einen kleinen Überblick über die Vergangenheit und die Zusammensetzung machen.

Unsere Kampfgruppe Eberhart, die in Danzig aufgestellt wurde und im Polenfeldzug zum Einsatz kam, wurde danach auf den Truppenübungsplatz Groß Born in Pommern zur Neuaufstellung verlegt. Wir, die beiden Danziger Polizei-Regimente, wurden das Infanterieregiment 243 und 244.
Als drittes Regiment wurde uns das Pommersche Rgt. 92 zugeteilt.
Wir wurden dort im Kampf gegen Bunker und Festungen geschult.
 

Frankreich u. Griechenland
 

1940 wurden wir ins Saarland im Raum Saarbrücken verlegt. Nahmen dann die französischen Vorbefestigungen und durchbrachen bei Vorbach die Maginot- Linie und kämpften uns bis Epinal durch. Auf dem Friedhof in Forbach bei Saarbrücken ruhen unsere gefallenen Kameraden. Nach dem Ende der Kampfhandlungen in Frankreich kamen wir wieder zurück nach Groß-Born zur Neuaufstellung.

Die Danziger vom I.R.243 wurden versetzt zum I.R.244. Der Rest vom I.R.243 kam zu einer anderen Einheit. Wir wurden motorisiert.  Das I.R.244 wurde 120 mot. Das Pommersche I.R. wurde I.R.92.mot.

Während die Fußeinheiten drei Regimente hatten, waren bei den schellen Moteinheiten nur zwei. Unsere Ausbildung war jetzt der Kampf im Verband mit den Panzertruppen. Nach erfolgten Auffrischungen und Übungen wurden wir nach Österreich im Raum Hollabrunn verlegt. Dort hatten wir im Semmering - Gebirge wiederholte Übungen im Kampf und Fahren auf Gebirgsstraßen.

Danach Einmarsch nach Ungarn, Rumänien und Bulgarien. In Bulgarien wurden wir im Raum Sofia, Plovdiv, Pasardschik einquartiert. Dort weitere Übungen im Arabakonakgebirge. Bald kam der Marschbefehl: ‚Einmarsch in Jugoslawien’. Wir fanden nur geringen Widerstand. Während unsere Div. weiter in Richtung Belgrad angriff, wurde unser Rgt.120 mot herausgezogen und einer Panzerdivision unterstellt. Unser Ziel war Griechenland.

So begann am 14. April 1941 unser Abenteuer Griechenland. Wir hofften recht bald an der Seite unserer Panzerkameraden zum Einsatz zu kommen. Leider aber brachen sie allein den Widerstand und trieben die Engländer vor sich her. Die Engländer, es waren Australier, versuchten ihre Schiffe zu erreichen und über das Meer zu entkommen. Sie sprengten auf ihrem Rückzug alle Brücken und Passübergänge. Wir mussten oft Stunden warten bis die Notübergänge hergestellt wurden. Die größten Anstrengungen leisteten die Kraftfahrer, die nächtelang im Dunkeln über die schlechten und engen Hochgebirgsstraßen fahren mussten. Es waren übermenschliche Leistungen.
Dafür bekamen alle PKW- und LKW-Fahrer später das Kraftfahrer-Bewährungsabzeichen.

Ausfälle und Verwundungen hatten wir nur nachts durch den Absturz einiger Fahrzeuge auf den engen Serpentinen. Wir machten die Bekanntschaft mit Orten wie Pflorina, Kozani, Kalabaka, Trikkala, Lamia, den Thermopylen-Engpass, Kleinen Olymp, Athen und Korinth. Hier befreiten wir 2000 italienische Kriegsgefangene. Weiter ging es mit unserer Aufklärungsabteilung, der ich angehörte, über den Kanal in Richtung Kalamata. Auf der Küstenstraße nahmen wir 25 Engländer gefangen. Sie hatten ihre Schiffe nicht mehr erreicht. Wir fuhren zurück nach Korinth und lieferten sie dort ab. Weiter ging es in Richtung Sparta. Dort war für uns der Krieg zu Ende. Es wurde noch eine Kampfgruppe aufgestellt, die mit Fischerbooten auf die Insel Githera übersetzte. Es war aber weit und breit kein Engländer zu sehen.

In Sparta hatten wir noch ein wenig Ruhe, badeten in der Sonne und tranken griechischen Wein. Die Bevölkerung war uns freundlich gesinnt und bat uns zu bleiben. Sie wollten nicht, dass die Italiener kommen. Bei uns sagte man, wir kämen nach Österreich und dann an der Kanalküste zur Invasion nach England. In Österreich angekommen, sagte man uns: „Die Invasion ist abgeblasen. Der Russe zieht starke Verbände an der Grenze zusammen und bereitet sich auf einen Angriff auf Deutschland vor.“ Das war im Monat Juni 1941. Wir kamen an die Ostfront.
 

                                                             Russlandfeldzug

Ende Juni griffen wir in der zweiten Welle die Russen an und durchbrachen ihre Bereitstellung. Für uns begann ein ganz neuartiger Krieg. Wir sahen russische Panzer von der Größe eines Einfamilienhauses. Einer überrollte unsere Panzerabwehr - Kanone mit Zugmaschine und zerdrückte sie wie ein Spielzeug. Man nannte ihn den Stalinpanzer. Später tauchten dann die T 34 Panzer auf. Den Riesenpanzer habe ich nie mehr gesehen. Die Russen schossen auf unsere Sanitäter, die unbewaffnet waren und auf ihre Fahrzeuge, die weit zu erkennen  waren. Es war fast unmöglich, Verwundete und tote Kameraden zu bergen. Ein Teil unserer Aufklärungsabteilung geriet in einen russischen Hinterhalt. Die verwundeten Kameraden, die es nicht schafften, sich zurück zu ziehen, fanden wir nach einem Gegenstoß mit ihrem eigenen Bajonette erstochen.
Stalins Befehl lautete: “Tötet die Deutschen, schlagt sie tot immer wo ihr sie findet“
(Smert nemeski Okupanti).
Das war ein Befehl zum Morden! Hitlers Gegenbefehl lautete: “Ihre Vernichtung ist wichtiger als ihre Gefangennahme“.  Wir hatten im Kampf mit den Polen, Franzosen und Engländern noch ein bisschen Menschlichkeit erfahren,  hier aber gab es keine Menschlichkeit. Wir kämpften und kamen gut voran. Unter großen Verlusten eroberten wir Kiew, Poltawa, Tanganrog, Mariopol und Rostow. Von der Schlacht um Nepopetrowsk habe ich schon in meinem Bericht: ‚Italiener und Deutsche’ berichtet.  Ich werde im Anhang noch einmal darauf zurückkommen.

Es war Winter geworden. Der russische Winter kam zu früh. Wir waren am Ende unserer Kräfte. Rostow war das Tor zum Kaukasus. Der Russe griff uns mit starken Kräften an, um Rostow wieder in seine Hand zu bringen. Uns drohte die Einkesselung. Wir zogen uns aus Rostow zurück und bezogen am Miusfluss die Winterstellung 1941 - 1942. Das was wir hier erlebten, wird für das ganze Leben unvergesslich bleiben. Es wird nicht leicht sein, dieses alles zu beschreiben.

 

In der Miusstellung
(Dezember 1941)
 

Nachts und im Schneegestöber wurde uns die Stelle angewiesen, wo wir in Stellung gehen sollten. Der Boden war steinhart gefroren. Die Pioniere sprengten zwei Nächte, um für unsere Gruppe 18 Mann ein Erdloch mit einer Holzabdeckung zu bauen.
Ich ging davor mit meinen zwei schweren Maschinengewehren in Stellung. Die Temperatur sank auf unter 40 Grad. Der Schneesturm war so stark, man konnte keinen Meter weit sehen. Die Augenlieder froren uns zu. Um besser hören zu können, denn sehen konnte man nicht, stellten wir einen vorgeschobenen Posten mit  halbstündiger Ablösung vor unsere Stellung auf. Länger konnte keiner durchhalten, sonst wäre er erfroren.

Wir, die Mottruppen, hatten jeder einen Übermantel, den  trugen wir im Winter beim Transport mit den Fahrzeugen über unserer ganzen Ausrüstung. Diese ließen wir uns in unsere Stellung bringen. Für vier Stunden Wache am S.M.G. Wenn wir eine Seite vom Schnee befreit hatten, war die andere schon wieder voll. Diese Bewegung schützte uns auch vor dem Erfrieren.

Tagelang gab es keine Verpflegung. Es kam kein Nachschub. Bei den Fahrzeugen war die Kühlung und das Öl steif gefroren. Kein Motor sprang mehr an. Selbst in den Lokomotiven war die Glysantine steif gefroren. Wir verzehrten unsere Lebensmittelreserven. Nach drei Tagen kam wieder Verpflegung, eine zu Eis gefrorene Suppe mit Maiskörner und Pferdefleisch, von den Pferden, die durch Schnee und Strapazen verreckt waren. Für 18 Mann fünf Wurstkonserven und zwei Kommisbrote. Alles hart gefroren. Bald wurde die Versorgung  besser.

Alle 10 Tage wurden wir abgelöst und kamen für 10 Tage in Ruhestellung. Hier in den Häusern der Ukraine wurden wir freundlich behandelt, auch oft wie eigene Kinder. Sie wärmten uns und pflegten unsere Erfrierungen. Es war für uns wie ein Zuhause.

Nach 10 Tagen ging es wieder nach vorn in unsere Stellungen. Die grimmige Kälte schnitt uns ins Gesicht. Mit großer Anstrengung gegen Schneesturm und Schnee kamen wir erschöpft in unseren Erdlöchern an. Viele unserer Kameraden kamen wegen Erfrierungen 2.und 3. Grades zurück und für sie war der Krieg zu Ende.

Zu Weihnachten bekamen wir jeder ein halbes Brot und eine Dose Blutwurst und Zigaretten, die nie fehlten. So ging es den ganzen Winter. Nachts kam die warme Verpflegung. Wenn sie aber mit den Essenholern bei uns ankam, war immer eine Eisschicht drauf. 

In unserem Erdloch lagen wir eng zusammen und wärmten uns einer an den anderen. Zum Wachwechsel mussten wir uns erst vom Schnee frei graben. Den Gewehrlauf und alles was aus Eisen war, durfte man ohne Handschuhe nicht anfassen, sonst fror die Haut daran fest. Den Russen ging es trotz ihrer guten Winterkleidung nicht viel besser. Sie ließen uns in Ruhe. Nur einmal, als die Sicht besser war, griffen sie uns in Kompaniestärke an. Angetrieben von einem Kommissar mit der Pistole in der Hand. Mit den Händen in den Taschen und das Gewehr auf den Rücken, so rannten sie in unser Maschinengewehrfeuer hinein. Die Überlebenden zogen sich wieder in ihre Stellungen zurück. Der grimmige Winter zwang Freund und Feind zur Bewegungslosigkeit.

Nur wenige von uns überstanden diesen grausamen Winter. Wir hatten keine Winterkleidung. Das was wir hatten, war die normale Winterkleidung wie sie jeder Soldat auch in der Heimat hatte. Ja wir hatten nicht einmal Schneehemden zur Tarnung.

Langsam wurde die Versorgung besser. Nun begann auch langsam das Tauwetter. Wer glaubte, dass es nun besser würde, täuschte sich. Die Fahrzeuge blieben nun im Schlamm stecken. Die Ablösung aus unseren Stellungen erfolgte immer nachts. Bis zu unserem Ruhelager waren es immer 5 bis 10 km. Die Nächte waren stockdunkel. Somit war die Orientierung sehr schwer.
Es kam vor, dass Gruppen im Kreis liefen und wieder in der H.K.L. landeten. Mit unseren schweren Waffen war ich immer am Ende der Gruppen. Oft in diesen dunklen Nächten kam von vorn nach hinten Unteroffizier Krüger nach vorn. Trotz der Müdigkeit sangen die Landser dann: 

„Unsere Führung hat schon wieder keine Orientierung“.

Ich brachte sie dann immer höchstens 500 Meter links an die Ortschaft heran. Man sagt: „Alle Menschen haben einen Rechtsdrall“. Der Linkshänder hat einen Ausgleich und geht mehr gerade. Ich bin Linkshänder.

Das größte Problem war die aufgeweichte Erde. Im Schlamm blieben unsere Stiefel stecken. Es war sehr schwer sie im Dunkeln wieder zu finden. Wir waren am Ende unserer Kräfte. Vor Erschöpfung tranken wir das Tauwasser aus dem Straßengraben.

Unsere Ausfälle durch Erfrierungen und Krankheiten waren sehr hoch. Wir wurden abgelöst und zurückverlegt zur Auffrischung. Für diesen Winter wurde uns der Winterorden verliehen. Wir nannten ihn den Gefrierfleischorden.

Es kamen nun wieder die ausgeheilten Kameraden und die Urlauber zu uns. Pech hatten wir, die Jüngeren und Unverheirateten. Für uns gab es keinen Urlaub, auch nicht in der nächsten Zeit, weil es in Danzig noch keine Bombenangriffe gab. Wir waren schon zufrieden, dass wir uns wieder einmal waschen, uns ein wenig von den Läusen befreien und nachts wieder schlafen konnten.

Mit der ukrainischen Bevölkerung hatten wir ein sehr gutes Verhältnis. Bei ihnen war für diese Zeit unser Zuhause. Sie konnten nun wieder frei ihre Meinung sagen, beten und ihre Heiligenbilder hervorholen. Für sie waren wir die Befreier von dem grausamen Stalinismus. Leider wurden sie nach unserem weiteren Vorgehen von den nachfolgenden Besatzungstruppen und der SS schwer enttäuscht. Sie benahmen sich nicht wie die Befreier.


                                                             
Charkow

Wir wurden wieder neu eingeteilt. Ich kam wieder als Gruppenführer zu den schweren Granatwerfern. Wir bereiteten uns nun auf unseren nächsten Einsatz vor.

Es kam der nächste Einsatz. Die Einkesselung von Charkow. Ich glaube, es war im Mai 1942. Es ist sehr schwer, sich nach so langer Zeit an Monate und Tage noch zu erinnern. Für uns, die vorn im Einsatz waren, waren jeder Tag und Monat der gleiche. Wir hatten andere Gedanken. Auch die, die Tagebücher führten, waren bestimmt nicht bei uns in der H.K.L.

An der Charkow-Front kämpfte die Russische Armee von General Schimischenko. In verlustreichen Kämpfen auf beiden Seiten gelang es uns, die Armee einzuschließen. Wir drückten den Kessel immer enger zusammen. Immer mehr Russen ergaben sich. Zu Tausenden gingen sie mit erhobenen Händen an uns vorbei. Es war die Hölle los. Stukas, Panzer und alles was schießen konnte, schoss in den Kessel hinein. Als wir dann einbrachen, um das Gelände zu bereinigen, gingen wir über Berge von Toten und schreienden Verwundeten. Wir alten Landser waren an Tod und Sterben gewöhnt.
Dieser Anblick aber erschütterte auch uns.

Wir hörten, dass auf Stalins Befehl Schimischenko aus dem Kessel ausgeflogen worden war. Man sagte uns aber, dass der Sohn Stalins in Gefangenschaft geraten wäre. Wir waren durch unsere hohen Verluste am Ende und kamen wieder zur Auffrischung in Ruhestellung. Viele von uns waren an dem Wolynischen Fieber erkrankt. Es war eine Art Malaria. Es war schrecklich. Wir wurden geimpft und mussten Chinintabletten schlucken. Für einige Zeit waren wir Divisions-Reserve.

Ende Juni waren wir wieder einsatzbereit, und es ging bei Kaltsch über den Donn wieder auf Jagd, den Russen hinterher. Unsere Aufgabe war es, mit den Panzern durchzubrechen und den Feind von den hinteren Verbindungen abzuschneiden. Wir waren zu weit vorgestoßen. Die Infanterie kam nicht nach. Der Befehl kam: „Einigeln“. Wir warteten auf Benzin und auf die Fußtruppen. Weit und breit war kein Haus, kein Baum und Strauch zu sehen. Nur einige Dromedare, die sich nicht zurückgezogen hatten, leisteten uns Gesellschaft.

Bald war die Verbindung wieder hergestellt. Wir hatten wieder Benzin und Verpflegung und weiter ging es in Richtung Stalingrad. Wir wunderten uns, dass wir keinen T34 Panzer mehr begegneten, sondern Ami-LKWs und Ami-Panzer. Wir hörten, dass die Amis über Wladiwostok die Russen mit Kriegsmaterial versorgten. Meine Mannschaft erbeutete ein kleines Ami-Kettenfahrzeug und wir verluden darauf die schweren Teile unseres S.Granatwerfers. Während unsere Truppe mit der Einkesselung von Stalingrad begann, stießen wir mit der 16. Panzerdivision im Norden durch und erreichten die Wolga. Dort bezogen wir dann die so genannte Nordriegelstellung und wehrten alle Angriffe ab.

 

                                                        Kampf um Stalingrad

Der Kampf um Kalatsch und Stalingrad war äußerst verlustreich. Unsere Kompanien waren meist nur noch 30 bis 50 Mann stark. Unsere HKL war lückenhaft besetzt. Wir warteten auf Ersatz. Wir waren so dicht wie möglich an die Russen heran gegangen. Oft bis 100 Meter, um nicht von der Stalinorgel beschossen zu werden. Diese hatte einen Streubereich von 250 Metern. Um uns zu beschießen, würden sie ihre eigenen Leute treffen. Sie hatten sehr gute Scharfschützen. Sich am Tage zu bewegen, war Selbstmord.

Nachts gruben wir wie die Irren und bauten unsere Stellungen aus. Die ausgehobene Erde wurde auf eine Zeltbahn geschüttet und weit hinter unserer Stellung verteilt. Es wurden Munition und Essen nach vorn gebracht. Auch kam vereinzelt Ersatz, meist unerfahren und schlecht ausgebildet. Wegen des Fehlens der Schützen war ich mit meiner schweren Granatwerfer-Gruppe noch mit 10 Mann in einer Lücke in Stellung gegangen. Vor uns waren eine Minensperre und der Russe. Ich hatte in meiner Gruppe noch vier Obergefreite, alte Kämpfer.  Mit ihnen war ich schon lange zusammen. Wir hatten uns mit unseren Werfern sehr gut eingeschossen. Wir hatten eine gute Beobachtung und konnten den Feind überall erreichen.

Links von uns war der Komp.-Gefechtsstand der 5. Komp. der ich mit meinen Werfern unterstellt war. Rechts war eine Gruppe SMG meiner Komp. in Stellung. Bei der Schützenkomp. hatten wir Ausfälle durch Kopfschüsse. Sie hatten Gewehre mit Zielfernrohr und konnten damit wegen mangelnder Ausbildung nicht richtig umgehen. Ich ließ mir von ihnen ein Gewehr rüberwerfen und schaltete den Scharfschützen aus.

Es kamen auch einige Kameraden aus den Lazaretten und aus dem Urlaub zurück. Mit den Essenholern kamen sie in unsere Stellung. Sie waren wohl noch mit ihren Gedanken in der Heimat. Sie hörten nicht unseren Warnruf: „Achtung Scharfschützen. Kopf runter.“ Sie kamen nicht mehr zum Einsatz. Wir wurden abergläubisch. Man sagte: „Wer in Urlaub fährt, der stirbt“. Wir brauchten uns aber keine Sorgen mehr machen. Denn es gab jetzt Urlaubssperre.

Immer wieder versuchte der Russe mit kleineren Angriffen herauszufinden,
wie stark unsere Abwehr noch war. Sie wurden regelrecht von unserem Abwehrfeuer niedergemäht. Wir hörten dann den immer schwächer werdenden Hilfeschrei der Sterbenden. In meine Stellung kamen drei Überläufer. Ich fragte: „Warum helft Ihr Euren Verwundeten nicht?“  Sie sagten: „Verbunden werden nur die, die weiterkämpfen können. Wer zurückgehen kann, dem wird geholfen; wer nicht, der bleibt liegen.“

Weit hinter den russischen Stellungen hörten wir alle Nächte Kettengeräusche der Panzer. Wir fühlten es, dort braut sich etwas zusammen. Dann hörten wir es schon: Der Russe ist mit starken Kräften bei den Rumänen durchgebrochen. Auch die italienische Front wackelte. Bei Kalatsch hat er den Donn erreicht, und wir sind eingeschlossen. Wir machten uns erst keine Sorgen. Unsere Division war schon öfter mal eingeschlossen, war aber immer wieder heraus gekommen. Dann wurde Verpflegung und Munition knapp. Wir waren schwach und ausgepumpt. Die großen Strapazen, das unmenschliche Leben hatten uns zu Greisen gemacht.

Junge Männer von 20 Jahren starben an Schwäche. Fleckfieber und die Läuse plagten uns. Nur Verwundete kamen noch aus dieser Hölle raus. Der Wunsch war ein Tod ohne Schmerzen. Einige verletzten sich, um so als Verwundete herauszukommen. Andere drehten durch, sprangen aus der schützenden Stellung heraus und wurden von den Scharfschützen erschossen. Nur wer die Nerven behielt, konnte überleben. Einige setzten sich ab und gingen zurück. Vielleicht glaubten sie so aus dem Kessel herauszukommen. Sie wurden dort aufgegriffen, erschossen oder kamen in die Strafkomp. zum Minenräumen.

Ich glaube, es war Ende November. Wir hörten Panzerketten rasseln. Es war am späten Nachmittag. Da kamen sie an. Ich zählte 10 T34.  Sie rasten über unsere Stellungen und wurden hinten von unserer Panzerabwehr empfangen. Mit Abstand kamen die Soldaten in Bat.Stärke und wollten in unserer Flanke einbrechen. Wir ließen sie auf Schussnähe herankommen. Dann brach die Hölle los. Der Angriff brach in unserem Kreuzfeuer zusammen. Unsere Panzer kamen mit Infanterie und ergänzten unsere Ausfälle.

Ich wurde am Kopf und der linken Schulter verletzt, wurde verbunden und kam nach Gumrak zum Flugplatz. Wartete dort bis zum Morgen, um ausfliegen zu können. Was dort geschah, ist unbeschreiblich. Verwundete schrien wie die Irren. Alle wollten raus, hingen sich an die Tragflächen und behinderten die Flugzeuge am Starten. Als Erstes durften nur Schwerverwundete an Bord. Das galt auch für mich. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben.

Am Morgen im Nebel war eine Ju 52 in einen Bombentrichter geraten. Der Pilot wartete auf eine Zugmaschine, die ihn herausziehen sollte. Ich kam mit ihm ins Gespräch. Er war ein Feldwebel und ein Ex-Infanterist. Er sagte mir auch, dass nur Schwerverletzte mitdürfen, ging zurück zur Maschine, kam dann wieder und fragte, ob ich mit einem Maschinengewehr schießen kann. „Natürlich“ sagte ich, „ich komme von einer Maschinengewehr-Kompanie.“ „Dann kommst du mit auf meine Maschine als Bordschütze.“ Das war meine Rettung aus Stalingrad. Die Ju hob ab, und wir kamen unbehelligt aus dem Kessel raus.

Von meinen Kameraden, mit denen ich vorn im Einsatz war, hat keiner Stalingrad überlebt. Der Rest, der noch im Januar in der Nordriegelstellung war, wurde von den Panzerketten zermalmt. In Gefangenschaft gerieten nur drei vom Tross.
Der Hauptfeldwebel, der Sanitäter und der Verpflegungs-Unteroffizier.

                                                                   Ende

                                                                  
* * * *

                                                         Meine Geschichte von Stalingrad.

So sehr vieles ist und wurde von Stalingrad geredet, erzählt und geschrieben. Viel Wahres und auch viel Unwahres. Vieles wurde verschönert und verschwiegen. Der Deutsche Soldat sollte ja nicht für das was er war als tapfer und heldenhaft erscheinen. Die Soldaten beider Seiten die in Stalingrad kämpften und starben, waren Helden und tapfere Soldaten. Die Einen kämpften gegen die Invasion und Besetzung ihres Vaterlandes. Wir, die Deutschen und ihre Verbündeten, um zu verhindern, dass die Asiaten und der Kommunismus in Europa eindringen. Dieses alles trug dazu bei, dass der Kampf um Stalingrad ein so verbissener Kampf um Leben und Tod wurde.

In Stalingrad, kämpften sehr bewährte Elite Divisionen, die ihre große Kampfkraft schon in den Kämpfen in Polen, Frankreich, Balkan und in Griechenland bewiesen hatten. Ganz zu schweigen von den siegreichen Kämpfen beim Übergang des Dnjepr bei Djnepropretowsk und der Kesselschlacht bei Scharkow. Es ist war, wir hatten starke Verluste, und auch die Kämpfe beim Übergang des Don war verlustreich. Mit einem Teil des Ersatzes der zu uns kam, waren wir in Stalingrad voll Einsatzfähig.

In Stalingrad, waren unsere Ausfälle enorm. Es begann das ausbluten unserer Infanterie-Einheiten. Die Russen hatten erstklassige Scharfschùtzen, was bei uns fehlte. Der Ersatz der kam war schlecht ausgebildet. Die Schützenkompanien waren nur noch 30 bis 50 Mann stark. Ich musste aus diesem Grunde in der Nordriegelstellung mit meiner schweren Granatwerfer Gruppe eine Lücke auffüllen und bis auf 150 Meter vor den Russen in Stellung gehen. Offiziere waren meist unerfahren und jung. Die Hauptlast lag auf den alten Obergefreiten und Unteroffizieren. Als Ersatz schickte man uns die Fahrer und Leute vom Tross.

Links von uns war eine unbesetzte Lücke von 500 Meter. Der Russe versuchte dort durchzubrechen. Sie wurde daraufhin von einem Maschinengewehr-Bataillon aufgefüllt. Der Russe brach dann bei den Rumänen durch und wir waren eingeschlossen. Die Verpflegung wurde gekürzt und es wurde auch mit Munition gespart. Wir waren fest davon überzeugt, dass uns frische Truppen zu Hilfe kommen würden. Man wird uns nicht aufgeben, daran glaubten wir. Wir müssen halten, bis die Truppen aus dem Kaukasus heraus sind. Dann holt uns der Führer raus. Das sagte man uns und das glaubten wir auch am Anfang. Durch unser Durchhalten, gelang den Einheiten im Kaukasus der Rückzug.

Die uns versprochene Befreiung blieb aus und wir wurden unserem Schicksal preisgegeben. In uns war eine verbissene Wut. Wir fühlten uns verraten und verkauft. Unsere Gegner versprachen uns Tod und Verderben. Wollt ihr Hunde ewig leben und Anderes schrieen die russischen Lautsprecher. Wäre es nicht so gewesen, viele von uns in unserer so aussichtlosen Lage, hätten die Gefangenschaft und nicht den Heldentod gewählt. Bis Mitte Dezember hatten wir noch Mut und  Kraft auszubrechen. Dann begann die Agonie unserer Einheiten. Verlaust, verdreckt und ausgehungert. Wir wussten es ging unserem Ende entgegen. Einige entfernten sich von ihren Einheiten, aus Panik, Hunger, und Verzweifelung. Sie wurden hinten aufgefangen und erschossen. So hatten wir vorne und auch hinten den Tod. Das war das wahre Gesicht von Stalingrad. Einer der tapfersten Deutschen Armeen aus immer auch welchen Gründen wurde dort geopfert.

Am Ende November 42.wurde ich durch Granaten Beschuss am Linken Arm und am Kopf verletzt und kam am Flugplatz Gumrak zum Verwundeten Sammelplatz und von dort mit einer Ju wurde ich ausgeflogen. Ich war einer der Letzten meiner Kompanie die Stalingrad lebend verlassen haben. Aus der Gefangenschaft, kamen nur einige vom Tross zurück, und zwar der Hauptfeldwebel, der Waffenunteroffizier, der Verpflegungsunteroffizier und der Sanitätsunteroffizier. Es starb den sogenannten Heldentod, unser Kompanieführer Oberleutnant Kessler und 56 Unteroffiziere und Mannschaften. Der Rest verreckte in Russischer Gefangenschaft.

Stalingrad hat sich tief in unserer Seele eingebrannt und lässt uns nicht mehr los. Es hat unser ganzes Leben beeinflusst. Auch heute noch nach 62 Jahren kehren unsere Gedanken immer wieder dort zurück, wo unsere Jugend unsere Hoffnung und unsere besten Kameraden starben. Alle Jahre trafen wir uns in Limburg und Gemünden Österreich wo unsere Stalingrad-Denkmäler stehen. Mit einer großen Feier gedachten wir unsere Kameraden die in Stalingrad blieben. Nun sind wir alt und gebrechlich geworden und nur noch eine handvoll Überlebende. Wir konnten unseren Verein nicht mehr aufrechterhalten und mussten ihn auflösen. Aber in unserm Herzen wird er weiter leben solange wie wir noch atmen können.

In Stalingrad Starben: die 3. ID (mot.), 29. ID (mot.), 60. ID (mot.), 44. ID, 71. ID, 76. ID, 79. ID, 94. ID, 113. ID, 295. ID, 297. ID, 305. ID, 371. ID, 376.I.D. 384. ID, 389. ID 100. Jàger-Div,  14. PD,. 24. PD, 16. PD,  9. Flak-Div,  Rumänische 1. Kavallerie-Division,  und 20. ID,  sowie Armee- und Choreinheiten und  Werferregimenter.

Man sollte auch in Deutschland den Stalingradern die Ehre erweisen, die ihnen gebührt.

                                                      Arthur Krueger
                                                        Feltre-Italien
.

Armeebefehl der 6. Armee u.a.  für die 60. ID (mot) kurz nach der Einschließung

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